Von einem Hostel, das gerade so gar nicht happy ist …

Von einem Hostel, das gerade so gar nicht happy ist …

Während sich in meinem privaten Umfeld eine seltsame Ruhe und Besonnenheit ausbreitet, die sich in Fragen nach Brotbackrezepten und 2000 Teile-Puzzles ausdrückt, befindet sich mein berufliches Umfeld seit Anfang März im freien Fall. Seit vielen Jahren leite ich das Happy Bed Hostel im Zentrum Berlins. Unser erklärtes Ziel ist es, jungen Menschen, unabhängig von ihrem finanziellen Hintergrund, möglichst preisgünstig einen Besuch in der Hauptstadt zu ermöglichen. Die Themen, die von den meist 9. oder 10. Klassen während ihres Besuches bei uns bearbeitet werden, reichen vom Besuch im Bundestag über Themen der Aufarbeitung des Nationalsozialismus oder der SED-Diktatur, bis hin zur Gründung der Stadt im Jahr 1237.

Ich bin mit Leib und Seele Berlinerin, schon in der dritten Generation. Meine Großmutter zog es bereits in den 20er Jahren aus der Uckermark nach Berlin, wo sie 1945 das Ende des Krieges herbeisehnte. Meine Mutter beobachtete hier 1961 besorgt den Bau der Berliner Mauer. Zu dritt feierten wir an einem Abend im November ´89 den Fall derselben. In dieser Stadt sind für mich historische und persönliche Geschichten untrennbar miteinander verwoben und ich liebe es, diese mit Gästen aus aller Welt zu teilen.

Anfang März sprachen die ersten Länder Schulfahrtenverbote aus. Eine französische Reisegruppe musste auf dem Weg zu uns wieder umkehren. Am 17. März wurde uns mit dem Verbot touristischer Übernachtungen endgültig die Geschäftsgrundlage entzogen. Tausende von Stornierungen sind bis zum heutigen Tag eingegangen. Klassenfahrten wurden von vielen Bundesländern bis zum Ende des Schuljahres, von manchen bis zum Ende des Kalenderjahres abgesagt. Unsere Kosten laufen zum großen Teil weiter. Die Versicherung lehnt die Übernahme ab. Als gemeinnütziges Unternehmen stand immer Nutzenmaximierung im Vordergrund, Gewinnorientierung und damit die Bildung größerer Rücklagen sind nicht vorgesehen. Kredite helfen uns nur bedingt.

Zu Beginn der Krise gingen noch Anfragen nach Alternativnutzungen um. Quarantäne-Einrichtungen, Obdachlosenhilfe, Unterkünfte für medizinisches Fachpersonal, Schutzorte für Opfer häuslicher Gewalt wurden angefragt. Überall habe ich unsere Unterstützung angeboten. Nun ist auch hier Ruhe.

Studenten, die wir nicht in Kurzarbeit schicken konnte, mussten wir schweren Herzens kündigen, die meisten anderen Mitarbeiter sind unter KUG freigestellt. Mit einigen wenigen Verbliebenen bewache ich im Moment das leere Haus. Wir bearbeiten Stornierungen, führen Reparaturarbeiten durch und beschulen unsere Auszubildenden. Die Berufsschule hat geschlossen. Abschlussprüfungen wurden verschoben. Die renommiertesten Häuser der Stadt haben bereits das komplette erste Lehrjahr entlassen. Unsere Schützlinge kommen überwiegend aus Programmen sozialpädagogisch ausgerichteter Träger zur Integration junger Menschen ins Arbeitsleben und obwohl ihr Weg zu uns oft nicht leicht war, haben sie sich ihre nun guten Erfolgsaussichten schwer erarbeitet.

In Zusammenarbeit mit dem Jobcenter bemühen wir uns seit Jahren um die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen. Im Dezember letzten Jahres konnten wir aus diesem Programm zwei Mitarbeiter in ein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis übernehmen. Ein Wegfall ihres Arbeitsplatzes wäre für sie persönlich ein schwerer Rückschlag.

Berlin lebt vom Tourismus. 250.000 Mitarbeiter zählt unsere Branche allein in dieser Stadt. Zulieferer, Taxifahrer und Einzelhandel nicht mitgerechnet. Seit mehr als 30 Jahren arbeite ich in der Gastronomie und bin entsprechend vernetzt. Jeder, den ich aus diesem Bereich kenne, bangt um seine berufliche Existenz. Nach den umsatzschwachen Monaten November bis Februar liegt die Liquidität überall am Boden. Diese Krise zu diesem Zeitpunkt ist für Berlins Tourismus der Super-Gau.

Mit allen Schwierigkeiten erleben wir viel Solidarität in diesen Tagen. Viele Vertragspartner kommen uns trotz eigener schwieriger Lage finanziell entgegen. Die meisten Gäste haben Verständnis für unsere Situation und geben uns Zeit für die Rückabwicklungen nicht zustande gekommener Buchungen. Viele erlassen uns die für uns existenzbedrohenden Rückzahlungen. Trotz aller Herausforderungen sind wir überzeugt, mit Hilfe unserer Partner und unseres Trägers, der FSD-Stiftung, aus dieser schweren Zeit gestärkt hervorzugehen und bald wieder für unsere Gäste da sein zu dürfen.

Berlin fordern wir auf, seine gemeinnützigen Organisationen nicht zu vergessen. Sie sind nutzbringende und regulierende Marktteilnehmer und sorgen dafür, dass Klassenfahrten auch in Zukunft noch erschwinglich sind.

Jana Schleske | Berlin im April 2020

Zur Rettung von Jugendreisen und Klassenfahrten hat der Fachverband für Kinder- und Jugendreisen eine Petition gestartet. Unterstützen auch Sie jetzt die Petition! Hier gelangen Sie direkt zur Petition auf www.change.org (externe Links).